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Ein sehr guter Text Wissenschaftliche Arbeiten

Direktes Zitieren: Eine hohe Kunst

Direkte Zitate sind in wissenschaftlichen Arbeiten ein Muss. Erfahre alles über Timing, Auswahl und Integration.

„Ein direktes Zitat sollte nie ohne Ein- oder Ausleitung stehen.“ (Bauer, 2022, S. 1) Außerdem ist es wichtig, auf korrekte Zeichensetzung zu achten.

Kommt dir diese Vorgehensweise bekannt vor? Ganze Sätze direkt zitieren und dann weitermachen, als sei nichts gewesen? Dann hilft dir dieser Artikel sicher. Denn es gibt einige Fallstricke beim direkten Zitieren.

1. Auswahl, Timing & Integration sind entscheidend

Die drei wichtigsten Fallstricke lauten: zu oft, die falschen Sätze und ohne Verbindung zum sonstigen Text.

Um diese Fehler in Zukunft zu vermeiden, müssen wir uns zuerst über den Zweck eines direkten Zitats im Klaren sein. Es gibt zwei Gründe für direktes Zitieren.

  1. Wir wollen eine Aussage als Zitat kenntlich machen (so stumpf, so wahr).
  2. Wir wollen nachweisen, dass Autor X tatsächlich Y gesagt hat, und zwar mit den Worten A B C, nicht mit M N O.

Im zweiten Fall ist die Sache klar: Will ich belegen, dass Götz von Berlichingen tatsächlich „Arsch“ gesagt hat und nicht „Allerwertester“, bleibt mir nichts anderes übrig, als genau diese Stelle direkt zu zitieren. Das ist sozusagen ein direkter Quellennachweis. Die Aussage, der Himmel sei blau, kann ich nur beweisen, indem ich den Himmel zeige. Genau diese Funktion hat ein solches direktes Zitat.

Im ersten Fall ist es etwas komplizierter. Denn eine Aussage kann ich auch indirekt zitieren, also nicht:

„Er aber, sag’s ihm, er kann mich im Arsche lecken!“ (Goethe, 1773, S. 146)

Sondern in eigenen Worten:

Der Götz meint daraufhin, er könne ihm den Allerwertesten küssen (vgl. Goethe, 1773, S. 146).

In beiden Fällen verdeutlichen die Quellenangabe und der Kontext, dass es sich um eine fremde Aussage handelt. Warum also nicht immer direkt zitieren? Oder nie?

2. Ein direktes Zitat verursacht Kosten

Prinzipiell gilt: Ein indirektes Zitat verursacht weniger Kosten als ein direktes Zitat. Es fügt sich problemlos in den übrigen Satzbau ein, bewirkt keinerlei Irritationen für den Leser und muss auch nicht weiter erläutert werden. Vergleiche folgende Varianten:

a) Der Klimawandel bedroht die Erde. Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen sind sich darüber einig (vgl. Kimmel, 1999, S. 112). Vor allem das Abschmelzen des Permafrostbodens gilt als große Gefahr (vgl. Meiser, 2005, S. 12; Hemmel, 2008).

(fiktives Beispiel)

Und direkt zitiert:

b) Der Klimawandel bedroht die Erde. „Das ist in allerlei Disziplinen, von der Geologie, über die Historik, bis hin zu den Sozialwissenschaften allgemeiner Konsens“, so Kimmel (1999, S. 112). Außerdem ist laut Meister „ein Verlust des Permafrostbodens eine gewaltige Bedrohung für Flora und Fauna“ (2005, S. 12).

(fiktives Beispiel)

Die Variante mit indirekten Zitaten ist deutlich angenehmer zu lesen und bringt die Sache auf den Punkt. Die direkten Zitate hingegen verwässern, verkomplizieren und ermüden die Leserin.

3. Direktes Zitieren muss sich lohnen

Ein direktes Zitat verursacht also Kosten. Umgekehrt bedeutet das: Um seine Anwendung zu rechtfertigen, muss deine wissenschaftliche Arbeit oder der es enthaltende Absatz davon profitieren. Folgende Kriterien können dafür herangezogen werden:

Das Zitat ist…

  • …eine prägnante Formulierung, die sich kaum kürzen oder umformulieren lässt.
  • …eine Formulierung, deren Bedeutung für deine wissenschaftliche Arbeit in ihrer genauen Wortwahl liegt – das führt uns zurück zum eingangs genannten Grund 2.

Behandelt deine Bachelorarbeit also den Gebrauch von Vulgärsprache in der Weimarer Klassik, solltest du den Götz direkt zitieren: weil du einerseits nachweisen musst, dass er das so und so gesagt hat, und weil du andererseits natürlich das vulgäre Wort nicht ersetzen solltest.

Ein Beispiel für eine prägnante Formulierung wäre hingegen:

Hobbes spricht dahingehend von einem „Krieg aller gegen alle“ (1642).

Wie sollte man das umformulieren? Es ist perfekt. Was perfekt ist, darf direkt zitiert werden. Muss sogar, weil wir uns nicht anderes ausdenken können, um dasselbe zu sagen. Und weil nun diese Umformulierung den Text verkomplizieren, verwässern und für den Leser ermüdend machen würde.

Natürlich stößt man auch hier an Grenzen. Unentwegt perfekte direkte Zitate aneinanderzureihen, ist ebenso ermüdend. Versetze dich in die Lage deiner Leserin: Kann sie die Zitate noch aufnehmen? Oder solltest du ihr ein paar Zeilen Pause gönnen?

4. Direkte Zitate immer ein- oder ausleiten

Nun haben wir zwei der drei häufigsten Fehler im Umgang mit direkten Zitaten geklärt: zu oft und die falschen Sätze. Bleibt der dritte: die fehlende Verbindung zum sonstigen Text. Ein Beispiel:

Der homo erectus lebte vor 120.000 Jahren in Südeuropa. „Die Gattung homo schlug die Augen als Affe zu und in Gestalt des homo erectus als Mensch wieder auf“ (Breeg, 1998, S. 34). Außerdem ernährte er sich bereits von gejagtem Großwild.

(fiktives Beispiel)

Das Beispiel zeigt einen beliebten Fehler: Das direkte Zitat wird behandelt, als hätte man es selbst gerade geschrieben – was natürlich nicht der Fall ist. Der Erzähler spricht in einer Stimme. Lässt dudie Quellenangabe weg und liest den Abschnitt deiner Mutter vor, kann sie nicht erkennen, dass darin ein direktes Zitat enthalten ist. Das darf nicht sein. Korrekt wäre:

Der homo erectus lebte vor 120.000 Jahren in Südeuropa. Breeg verdeutlicht die Bedeutung dieser Art: „Die Gattung homo schlug die Augen als Affe zu und in Gestalt des homo erectus als Mensch wieder auf“ (1998, S. 34). Er ernährte sich bereits von gejagtem Großwild.

(fiktives Beispiel)

Hier wird das Zitat eingeleitet, ein Bezug zum übrigen Text hergestellt und mit der falschen Einheitsstimme gebrochen. Mama versteht jetzt, dass es sich um ein Zitat handelt, ohne aufs Blatt zu sehen. Und der Text reiht nicht mehr bloße Fakten aneinander, mal zitiert, mal auf eigenen Mist gewachsen. Denn genau das gilt es zu vermeiden: Aneinanderreihungen.

Wenn du Zitate aber nicht aus- oder einleitest, entstehen zwangsläufig Aneinanderreihungen. Nichts ist langweiliger zu lesen (und zu schreiben). Nichts enthält weniger geistige Leistung. Ein Affe könnte derlei Fakten aneinanderreihen. Sei kein Affe. Sei ein Mensch. Ordne ein. Verknüpfe. Stelle Zusammenhänge her. Lege Widersprüche offen. Wie? In dem du zunächst einmal damit beginnst, direkte Zitate ein- oder auszuleiten.

Es gibt eine Ausnahme für den eben angebrachten Mama-Test: Wenn du das Zitat kürzt, darfst du auch Sätze formulieren, die man nicht allein durchs Hören als zumindest teilweise zitiert erkennt. Diese Art direktes Zitat sieht etwa so aus:

Der homo erectus war in erster Linie ein Fleischfresser, wozu ihn seine „außerordentliche Ausdauer bei der Großwildjagd befähigte“ (Timon 2004, S. 55) und die die Vorteile des aufrechten Gangs unterstreicht.

fiktives Beispiel

Bevor wir das Thema mit den Formalia schließen, zeigt die folgende Grafik noch einige der hier geschilderten Punkte in zusammengefasster Form.

Direktes Zitieren Beispiele

5. Formalitäten beim direkten Zitieren

Außen vor gelassen wurden in dieser Anleitung bislang die formalen Bestimmungen. Diese weichen ohnehin voneinander ab und sollten dir im Laufe deines Studiums hinreichend erklärt werden. Andernfalls stehen sie in deiner Prüfungsordnung. Was man dir nicht erklärt, ist, dass es sich bei wissenschaftlichen Arbeiten ebenfalls um Prosa handelt (bis auf wenige Ausnahmen). Und Prosa darf nicht zu oft fremde Gedanken 1:1 wiedergeben. Erst recht keine schlecht formulierten. Und sie darf sie nicht aneinanderreihen. Das unterscheidet eine gute wissenschaftliche Arbeit von einer schlechten. Und bereitet erst den Boden, um anhand eines gelungenen Aufbaus wirklich neue Erkenntnisse zu generieren.

Zwei formale Sachen soll jedoch noch Erwähnung finden. Erstens: Direkte Zitate, die länger als drei Zeilen sind, müssen anders formatiert werden. Unabhängig von deinen genauen Vorgaben, sei es nun die deutsche Zitierweise in Fußnoten, APA-Style oder Chicago. Meist werden sie einen Zentimeter eingerückt, stehen in einem neuen Absatz und mitunter wird der Zeilenabstand (1,0) ebenso verringert wie die Schriftgröße (10 Pt.).

Zweitens: Das Ding mit dem Punkt. Lange, eingerückte direkte Zitate stehen vollständig mit Satzzeichen, danach folgt die Quellenangabe. Also etwa so:

Formalia tun manchmal weh, wie folgendes Zitat veranschaulicht:

„Alles schmerzte. Die Fingerkuppen vom Tippen, die Zunge vom Befeuchten derselbigen, und erst recht die schwer beringten Augen. Sie hatte Recht, das stand gar nicht zur Debatte, aber sie musste den Nachweis erbringen und das hieß: Schmerzen um der Form willen.“

(Bauer 2022, o. S.)

Innerhalb des Fließtextes, bei kürzeren Zitaten, steht der Punkt jedoch nicht im Zitat, sondern hinter der Quellenangabe:

Vor meinen Augen bloß noch: „Punkt, Punkt, Komma, Strich, fertig ist das Mondgesicht“ (o. V., 1905, S. 23).

(fiktives Beispiel)

Ist dir das beim allerersten Zitat ganz zu Beginn des Artikels bereits aufgefallen? Nein? Dann achte von nun an bei deinen eigenen Arbeiten darauf.

Jetzt weißt du alles über die hohe Kunst des direkten Zitierens in wissenschaftlichen Arbeiten. Fragst du dich, ob deine Abschlussarbeit von einem wissenschaftlichen Lektorat profitieren könnte, obwohl du die richtige Zitierweise jetzt bestens beherrschst? Dann schreib mir und erhalte ein kostenloses Probelektorat.