Wenn der letzte Satz geschrieben ist, folgt eine nicht minder schwierige Aufgabe: das Manuskript bei einem Verlag unterzubringen. Heutzutage ist der erste Ansprechpartner zwar meist eine Literaturagentur, aber das ändert nichts. Mit wenigen Worten muss ein ganzer Roman oder ein komplexes Sachbach greifbar und schmackhaft gemacht werden. Denn das ganze Manuskript wird erstmal niemand lesen. Es braucht ein Exposé, und dessen wichtigster Teil ist auf Neudeutsch: der Pitch.
Und da beginnen die Schwierigkeiten. Form, Länge, Inhalt – was gäbe es nicht alles zu diskutieren. Und je nach Agentur oder Verlag unterscheiden sich auch noch die Anforderungen, die Formatvorgaben. Es ist ein Graus. Wir wollten doch nur schreiben, für so etwas haben wir nicht unterschrieben!
Und weil der Autorin größter Wunsch darin besteht, verlegt und somit gelesen zu werden, ist das Internet voll von schlauen Ratgebern und gutgemeinten Tipps übers Pitchen.
Aber die entscheidende Sache lese ich nie: Ein guter Pitch ist keine Zusammenfassung und auch kein Marketinginstrument für ein Produkt. Ein guter Pitch zeigt deine Begabung als Geschichtenerzähler! Und ist deshalb selbst eine kleine, aufregende Geschichte. Also erzähle, wenn du pitchst!
Hinfort also mit dem Verlangen, dein Manuskript zusammenzufassen, jeden erdenklichen Plot Point zu erwähnen. Wie im Großen, gilt hier auch im Kleinen: kein Infodump! Denn was ist das hier anderes:
„Simon (21) steht vor einer schweren Entscheidung: Soll er studieren oder ins Land seiner Vorfahren aufbrechen? Nachdem seine Großmutter stirbt – seine wichtigste Bezugsperson – bucht er ein Flugticket. Doch in Deutschland angekommen, ist alles ganz anders, als er es aus ihren Erzählungen kennt. Und er versteht niemanden. Alle sprechen Kauderwelsch. Bis er Elise trifft, eine geschiedene Frau Anfang 40. Sie gewährt ihm Unterschlupf, und Simon erfährt viel über seine Herkunft. Bis sie mit ihm ins Grüne fährt, und sie an einem seltsamen Tor halten: das Konzentrationslager Buchenwald, von dessen Existenz und Bedeutung Simon bisher nichts wusste …
fiktives Beispiel
Das ist keine Katastrophe, es ist immerhin eine Story und ein ganz netter Einfall. Aber es ist generisch formuliert und packt auch einfach alles rein an Informationen, was du nur hineinpacken konntest. Versuchen wir es stattdessen ein wenig literarischer:
Seine Zweifel legen sich erst, als das Flugzeug die Alpen überquert. Ja, es war die richtige Entscheidung – wie soll man herausfinden, was man mit seinem Leben anfangen soll, wenn man nicht weiß, wo man herkommt? Kaum gelandet, wundert er sich: Die Menschen sprechen einen Dialekt, der wie ausgedacht klingt. Sie grüßen nicht, und wenn er sie anlächelt, liegt ein Schreck in ihren Gesichtern. Waren die Geschichten zuhause gelogen? Mit einer Bekannstschaft fährt er ins Grüne, bis sie auf Gleise treffen, die zu einem Tor führen …
fiktives Beispiel
Du merkst: Wir haben vieles an Infos weggelassen und uns getraut, ein wenig zu dichten. Und schon strahlt das Ganze, schon hat man das Gefühl, hier nicht von ChatGPT behelligt zu werden, sondern von einem Autor. Der weiß, wie das geht mit dem Erzählen. Der einen „Schreck in ihren Gesichtern“ bemerkt, wenn er Menschen begegnet.
Denn auch das ist Teil eines guten Pitches: Erzählen, und dabei zeigen, wie das Manuskript sich anfühlen könnte, als Leser. Die eigene Stimme einfließen lassen, die auch das Manuskript durchzieht. Das hebt deinen Pitch ab vom Einheitsbrei, der nur generisch zusammenfasst. Und ist ein weiterer Stichpunkt auf deiner Visitenkarte.
Auch Sachbücher wollen erzählt werden
Ich weiß, das klingt alles nicht minder anspruchsvoll als die Vorgabe, eine ganze Geschichte in fünf Sätzen zusammenzufassen. Aber es ist dein täglich Brot! Also nutze die einmalige Chance, mit dem Pitchen zu zeigen, wer du als Autorin bist!
Generell bedeutet das auch: Du bist unheimlich frei beim Pitchen. Werde kreativ, stell die Regeln auf den Kopf. Aber ein Prinzip solltest du dennoch fast immer befolgen: Die zentrale Prämisse, der Protagonist und der zentrale Konflikt sollten irgendwie vorkommen. Ein weiteres Beispiel anhand eines Sachbuchs:
Otto Lilienthal war ein Pionier der Luftfahrt und gilt als der erste Mensch, der erfolgreich Gleitflüge mit einem Flugapparat durchführte. Dieses Buch taucht ein in das Denken und Fühlen dieses getriebenen Mannes, dessen Kühnheit eherne Gesetze umstieß und den Menschen zum Fliegen verhalf.
fiktives Beispiel
Das Thema ist gewiss spannend, aber warum solltest du das schreiben? Achso, du hast Luftfahrttechnik studiert? Gut, aber das heißt nicht, dass du schreiben kannst, und dieser Pitch liefert darauf auch keine Hinweise. Besser geht es so:
„Wenn wir doch nur alle so fliegen könnten“, denkt Ottto Lilienthal, als er längst wieder im Gras liegt, „dann würden die Ländergrenzen verwischen und Sprachen sich angleichen und der Krieg aufhören zu sein.“
fiktives Beispiel
Tausende Male springt Lilienthal deshalb vom eigens dafür aufgeschüttenen Fliegerberg. Er ist der erste Mensch, dem Flüge mit einem Gleitapparat gelingen. Wer war dieser Mann, was trieb ihn an? Und ahnte er wirklich nichts von der düsteren Zukunft, in der nur 20 Jahre später Flugzeuge Bomben auf Städte warfen?
Auch hier gelingt ein weitaus besserer Pitch, weil sich die Autorin traut, zu erzählen, zu zeigen, wie dieses Buch aussehen könnte, und was sie als Autorin zu leisten imstande ist.
Wenn du also pitchst, vergiss nicht: Du bist ein Erzähler. Und das gilt es zu beweisen. Also erzähle.
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