Kategorien
Talking Story

Star Wars: Herkunft und Schicksal [Analyse]

Die Star-Wars-Filme kreisen um Herkunft und Schicksal. Das hat Folgen für die Galaxis und das Gelingen der Sequels.

[Massive Spoiler voraus]

Der epischste Vater-Sohn-Konflikt aller Zeiten spielt sich im Weltraum ab. Luke Skywalker will werden wie sein Vater vor ihm, und, wie sich herausstellt, bedeutet das, gerade nicht so zu werden wie sein Vater (deshalb ist es der beste Plottwist aller Zeiten!). Dieser wiederum bemüht sich, seinen Sohn genau dazu zu verleiten. Einer Versuchung, der Luke nur widerstehen kann, in dem er den Glauben an seinen Vater als Idol aufrechterhält: „Es gibt noch Gutes in ihm.“ Dieser grandiose Plot legt die Basis für zwei wesentliche Begriffe im Star-Wars-Universum: Herkunft und Schicksal.

Jenseits der Biologie

Der Krieg der Sterne war stets mehr Mythologie als Parabel. Die naheliegende Metaphorik eines Herr der Ringe war in der Geschichte über Luke Skywalker nie zu finden. Schon weil eine Rassenlehre à la Tolkien in George Lucas‘ Galaxie keinen Platz hatte. Die Menschen waren weder habgierig noch leicht zu verführen, ebenso wenig gab es eine Rasse, die in Würde und Erhabenheit mit den Elben vergleichbar gewesen wäre, im Gegenteil: der Jedi-Orden war ein Meltingpot, die Macht eine universelle Kraft zwischen allem Lebendigen.

Auch die den Geschichten übergeordneten Bedrohungen – der Ring der Macht und der Todesstern – unterscheiden sich fundamental hinsichtlich ihrer Dimension. Der Todesstern ist lediglich eine Waffe, die ultimative Vernichtungsmaschine, aber alle Ähnlichkeit mit der Atombombe verschwindet hinter der völligen Abwesenheit einer Ambivalenz. Nie kommen die Rebellen oder die Jedi auf die Idee, selbst den Todesstern besitzen zu wollen. Der Ring der Macht hingegen entpuppt sich als Bürde für jeden, dem er in die Hände fällt. Am meisten für die Rasse der Menschen, die davon träumen, ihn selbst in der Schlacht einzusetzen und unfähig sind, ihn zu vernichten, als sich ihnen die Chance bietet.

Mythische Macht

So wenig wie es im Krieg der Sterne eine biologische Dimension gibt, an deren Grenzlinien Kriege verlaufen könnten, existiert eine territoriale Unterscheidung: Der Krieg der Sterne ereignet sich im leeren Raum. Jeder Planet, der zum Schauplatz des Krieges wird, wird nur besucht, nie besessen. Stellvertreterkrieg reiht sich an Stellvertreterkrieg. Diese Schwerelosigkeit nimmt den Filmen einen weiteren Bezugsrahmen. Hier stirbt niemand für ein Königreich, hier wird keine menschliche Eitelkeit verhandelt. Streng genommen kommt selbst dem Imperium in dieser Schwerelosigkeit jedes konkrete Ziel abhanden. Der Imperator möchte die Rebellen vernichten, aber darüber hinaus gibt es kein Objekt der Begierde, keine ideologische Utopie. Die Herrschaft über die gesamte Galaxis lautet das totale Ziel, total und leer – und daher absolut böse.

Berufsarmeen ohne Emotionen

Die Klonkrieger und Sturmtruppen sind in ihrer Anonymität derweil so austauschbar, dass die Armee des Imperiums als formvollendete Berufsarmee daherkommt. Niemand wurde zu den Waffen gelockt, keine Brandrede hat Kampfeslust entfacht. Die berüchtigte Treffunsicherheit der Sturmtruppen steht dem nur auf den ersten Blick paradox entgegen. Die Professionalisierung des Heeres erspart den Generälen das Emotionsmanagement, aber sie kostet jede Euphorie. Das Gernetöten ist von diesen Schlachtfeldern verschwunden, vom Imperator selbst einmal abgesehen. Die Jedi wiederum reihen sich aus anderen Gründen in diese Emotionslosigkeit ein: Emotionen verführen.

Die Rebellen kämpfen ihrerseits nur gegen das Imperium, nicht aber für eine konkrete Vorstellung von galaktischem Leben. Allenfalls für sehr naive Begriffe von Freiheit und Republik, schwerelos in ihrer Verzweiflung und doch unverzagt: das absolut Gute.

Ein apolitischer Konflikt

Den Jedi nun liegt das Gleichgewicht der Macht am Herzen. Sie sind die konservativen Hüter einer Ordnung, in der nicht alles gut ist, ja nicht einmal alles gleich, sondern nur diffus ausgewogen. Der Krieg dieser Sterne ist apolitisch. Darin liegt die größte Schwäche der Jedi, ihre ewige Achillesferse: Der Versuchung durch die dunkle Seite der Macht, dem Reiz der ungezügelten Herrschaft, der Emotionalität, können sie ideell nichts entgegensetzen als die stoische Ahnung, dass Zorn und Hass zwar mächtig sein mögen, das eigentliche gute Leben aber nur in einer emotionalen Kälte zu finden ist.

Die Weltflucht der Jedi

Nicht von ungefähr treten die Jedi-Ritter wiederholt als diejenigen in Erscheinung, die vom Krieg der Sterne nichts mehr wissen wollen, die nicht einmal mehr einen Schüler bei sich aufnehmen möchten. Obi-Wan Kenobi, Yoda und jetzt Luke Skywalker waren die mächtigsten Jedi ihrer Zeit, doch der Weisheit letzter Schluss blieb die Einöde, die Abkehr von der Welt und ihren Unwägbarkeiten.

Yoda und Obi-Wan erwischt der Zuschauer zwar nie dabei, wie sie zweifelnd dem Sog der dunklen Seite der Macht gegenüber stehen, aber womöglich ist das ihr einziger Vorsprung an Standfestigkeit gegenüber der langen Reihe an Jedi, die Zeugnis ablegten für die grundsätzliche Ambivalenz der Macht. Die dunkle Seite kann nicht besiegt werden, weil sie nicht mit dem Imperator in den Abgrund gestoßen werden kann. Sie existiert wie die gute Seite zwischen den Dingen und damit auch stets zwischen den Jedis und der Welt. Der letzte Triumph der alten Meister besteht immer wieder nur darin, das Zwischen aufzulösen, indem sie die Welt aus ihrem Dasein verabschieden.

Der Jedi-Orden als Erziehungsanstalt

Als Hüter des Gleichgewichts sind die Jedi freudsche Kinder: bewahren oder zerstören, der Urkonflikt der psychoanalysierten menschlichen Seele entzweit die Jedi, ohne sie je endgültig in zwei getrennte Lager aufzuspalten. Darth Vader bleibt bis zuletzt ein wenig Anakin Skywalker und selbst Luke findet in Episode 8 zurück zu der Furcht, die ihn fast dem Imperator ausgeliefert hätte. Die Jedi spüren das Unbehagen in der Kultur. Der Jedi-Orden fungiert so gesehen als ausgeklügeltes Erziehungsprojekt für besonders begabte und damit besonders gefährliche Zeitgenossen. Die Geburt eines Jedi ist nie ausschließlich der Keim einer neuen Hoffnung, immer schon wirft die Möglichkeit des Systemversagens ihren Schatten voraus. Biologie und Nation würden diesen universellen Dualismus nur einschränken, sie wären Störfaktoren in der den niederen Umständen enthobenen und damit mythischen Welt des Sternenkriegs.

Das Schicksal eines jeden Jedi

In diese Ambivalenz drängt nun allerdings doch eine uralte Kategorie: der lange Schatten des Schicksals. Der Krieg der Sterne ist auch eine große Geschichte über das Elternsein, über Vererbung, Abstammung und Zugehörigkeit. Auf der Mikroebene halten diese scheinbar nebensächlichen Kategorien wieder Einzug. Die Geschichte der Jedis verdichtet sich zu einem Stammbaum, die Faszination der Abstammung trägt ödipale Züge. Wer ist mein Vater, wer meine Mutter, das sind oftmals Fragen, deren Beantwortung Risiken birgt, aber auch Türen öffnet und vor allem: Schicksal mit sich bringt.

Im Krieg der Sterne ist die alte Ordnung noch intakt. Die Essenz geht der Existenz voraus, ein Jedi kann sich nicht selbst entwerfen, früher oder später holt ihn sein Schicksal ein. Die radikale Freiheit, von der die Rebellen vielleicht träumen mögen, bleibt dem Jedi versperrt. Die Bürde, die auf ihm liegt, ist dennoch eine der Verantwortung. Sein Schicksal schlägt ihn mit jener Gefahr für sich und andere, die nur vorherbestimmte Wesen entwickeln können: die Gefahr der Abtrünnigkeit, der Rebellion gegen das eigene Los. Auch hier bricht der Mythos in diese weit, weit entfernte Galaxis, stellt der Sternenkrieg nur die Kulisse für ein olympisches Familiendrama bereit. Anakin Skywalker, der Nullpunkt der Skywalker-Dynastie, wurde in Episode 1 zwar als eine Art unbefleckte Empfängnis dargestellt. Doch auch ohne Vater oder Mutter, die qua ihrer Natur mächtige Jedi zeugen, ereilt ihn ein vorherbestimmtes Schicksal: die Macht ist stark in ihm.

Reys nivellierte Herkunft

The Last Jedi bricht mit diesem mythischen Kern. Sie verabschiedet die alten Prämissen, schafft Platz für ein neues Universum, in dem sich niemand mehr damit aufhalten muss, wo er herkommt, welches Schicksal er hat und wer er ist. Die neue Jedi-Hoffnung Rey treibt ebenfalls das Mysterium ihrer Abstammung um, nur um dann zu erfahren, dass ihre Eltern allen Anschein nach herzlose Säufer waren. Der neue Oberbösewicht Kylo Ren hat schon in Das Erwachen der Macht seinen Vater getötet, wie zum Beweis, dass Abstammung nicht länger von Bedeutung ist.

The Rise of Skywalker kassiert diese progressive Sicht auf den Sternenkrieg dann wieder ein. Reys Herkunft wird erneut in Frage gestellt, nur um letztlich keine Antwort mehr darauf zu geben. Stattdessen wird sie in die Skywalker-Dynastie aufgenommen. Per Adoption, per Segen der Überväter und -mütter? Man weiß es nicht. Darin liegt ein befreiendes Moment: Du kannst eine Skywalker werden, ohne eine Skywalker zu sein. Gleichzeitig gilt: Aber eine Skywalker musst du schon werden, willst du etwas Großes sein. Und: Um deinen Platz zu finden, musst du dich würdig erweisen, vor einem größeren Ganzen, das dir deinen Platz zuweist.

Skywalkers Erbe

So ist die Sequel-Trilogie auf der Zielgeraden doch noch konservativ geworden und hat sich einem echten Aufbruch verweigert. Irgendwo zwischen Fachkräftemangel und offenen Grenzen, Integration und Assimilation, ist der Bruch mit dem Mythos hängengeblieben. Keine Skywalker zu sein, weder den Genen noch der Zugehörigkeit nach, nicht von ihnen ausgebildet zu werden, und dennoch den Frieden der Galaxis zu sichern: das wäre ein Star Wars des 21. Jahrhunderts gewesen. Aber dafür hätten sich die Macher von den Figuren der Original-Trilogie lösen und etwas Eigenes erzählen müssen. Da folgten sie dann doch lieber ihrem Schicksal.

Takeaways

  • Ein grandioser Plot besteht aus Gegenbewegungen, aus Anziehung und Abstoßung
  • Die Grundelemente deines Plots werden die Ideologie deiner Geschichte bestimmen
  • Der alte Konflikt zwischen Gut und Böse benötigt, mythisch genug, keine komplexe Motivation

Manche Dinge müssen einfach gesagt werden. Das macht es dir als Autorin mitunter leichter. Aber manchmal auch verdammt schwer. Denn gute Dialoge zu schreiben, will gelernt sein. In diesem Artikel erfährst du alles über die größten Fallstricke beim Verfassen deiner Dialogszenen – und wie du es richtig machst.

1. Realistisch bleiben!

Sich an der Realität zu orientieren, ist auch beim Schreiben von Dialogen ein guter erster Rat. Aber was heißt das konkret? Zunächst einmal solltest du deine Figuren nicht so sprechen lassen, wie du denkst, dass Menschen oder genauer, Menschen ihres Schlages, sprechen. Was das bedeutet? Stell dir vor, wie Stefan Raab sich über Rapper lustig macht: „Ey yo, Bruder, was geht ab, alter! Fetter Scheiß, yo!“ Genau so solltest du deine Rapper nicht sprechen lassen. Das ist klischeebeladen, aber vor allem ist es: unrealistisch. Es reißt den Leser aus der Geschichte.

Stattdessen solltest du dir erstmal Interviews mit Rappern anschauen, Kool Savas hören und ein Rap-Battle auf YouTube anschauen. Dann wirst du schnell merken, dass diese Leute durchaus eine eigene Sprache sprechen. Aber eben keine Stefan-Raab-Fantasiesprache. Sondern ihre, seit Jahrzehnten gewachsene, mit ihrer Kultur verwobene Sprache. Gleiches gilt für jedes andere Milieu: Die Bankentürme in Frankfurt Main, den tiefen Pott der Backsteinsiedlungen oder das Bundeskanzleramt.

Von der generellen Sprache deiner Figuren abgesehen, gibt es noch einen weiteren, sehr beliebten, unrealistischen Fehler beim Dialoge schreiben:

„Hallo Max, wie geht es dir?“
„Ganz gut, Timo, danke.“
„Gehst du heute noch raus, Max?“
„Mal sehen, was Mama sagt, Timo.“

fiktives Beispiel

Du hast es bereits erraten: Lass deine Figuren nicht dauernd ihre Namen sagen. Wir tun das nicht. Im Gegenteil: Psychologen haben herausgefunden, dass wir es sehr mögen und unser Gegenüber sympathisch finden, wenn es oft unseren Namen sagt. Weil es eben nicht der Normalfall ist.

2. Unrealistisch bleiben!

Ha, erwischt! Du dachtest wohl, Dialoge zu verfassen, sei eine einfache, widerspruchslose Angelegenheit. Weit gefehlt. Denn so sehr wir Realismus benötigen, um den Äußerungen unserer Figuren das nötige Maß an Authentizitä und Glaubwürdigkeit zu verleihen, so sehr benötigen wir Unrealismus um die Leser zu interessieren:

„Ja, manchmal ist mir, als ob ich selber hinter mir herliefe. Ich will davon! Vor mir selber davonlaufen. Aber ich kann nicht! Kann mir nicht entkommen. Muss … muss den Weg gehen, den es es mich jagt! Und rennen … rennen, endlose Straßen! Ich will weg, ich will weg! Und mit mir rennen die Gespenster … von Müttern, von Kindern. Die gehen nie mehr weg.

Fritz Lang – „M – Eine Stadt sucht ihren Mörder“

Natürlich würden wir nie so reden. Die Sprache ist hier dem Milieu entsprechend (ein mittelloser Mörder) einfach gehalten, aber deswegen nicht weniger gemacht. Sie bedient sich eines eindrücklichen Bildes, das sie mit betörender Effektivität ausführt. Aber wann reden wir schon in Bildern? Doch erst recht nicht vor einem wütendem Mob. Und überhaupt, wer sollte uns dabei zuhören?

Aber das ist ja gerade der Trick: Der Leser hört zu. Das verschafft dir als Autor die Freiheit, auszuholen. Und nimmt dich in die Pflicht, nicht bei der Realität stehenzubleiben, sondern zu konstruieren, zu modellieren, zu erschaffen.

Der Gradmesser für eine gesunde Portion Unrealismus sind die mitgehörten, halböffentlichen Gespräche im Café, in der S-Bahn oder auf dem Büroflur: Selbst wenn jemand bei einer solchen Gelegenheit etwas wirklich Spannendes erzählt, würden wir das so nicht drucken wollen. Es ist zu inkonsistent, zu wirr, zu sehr Rohmaterial.

Was nicht heißt, dass gute Dialoge nicht wirr und roh sein können. Durchaus. Aber eben an den richtigen Stellen, im richtigen Maß, mit gutem Grund – also weil du als Autorin sie so konstruiert hast.

3. Figuren spracclich unterscheiden

„Voll krass.“
„Ja, mega.“
„Shit, da hinten kommt Herr Opitz!“
„Na, Kids? Mega Wetter, oder?“

fiktives Beispiel

Es gibt sie nicht nur im Dialog, aber hier tritt sie direkt und schonungslos zutage: die Stimme deiner Figuren. Je nach Alter, Milieu, Geschlecht, Träumen, Ängsten und vielem mehr sprechen sie mit einer anderen Stimme. Und zwar ausnahmlos, jede einzelne Figur. Denn auch wenn die Kassiererin an der gotttverlassenen Tankstelle irgendwo im ausgedörrten Hinterland nur eine Zeile Text hat, ist sie ein Individuum mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sie kann nicht so sprechen wie der Mathematik-Professor, der sich zu ihr an die Theke verirrt hat.

Gleiches gilt für Herrn Opitz. Der offenbar deutlich älter als die beiden Jugendlichen ist, und in irgendeinem Sinne eine Autoritätsperson. Der einzige plausible Grund, ihn hier so sprechen zu lassen, wie die ihm unterstellten Kinder, ist eine ausgeprägte Midlife Crisis. Das wäre dann guter Dialog. Sonst ist es falsch.

4. Bescheidene Inquits verwenden

Ein Inquit, das ist eine die wörtliche Rede begleitende Formel. Bei Dialogen sind Inquits also gezwungenermaßen allgegenwärtig. Etwa bei: „Du spinnst doch“, sagte er. Doch Autoren lieben das Ausschweifende. Das Üppige. Deshalb lassen sie sich oft dazu verleiten, auf den schmalen Schultern der Inquits tonnenweise Ballast abzuwerfen. Das sieht dann schnell so aus:

„Ich kann nicht glauben, dass du das gerade gesagt hast“, stellte sie mit hochrotem Kopf fest.
„Hab ich aber!“, donnerte Hans trotzig.
„Du machst es nicht besser“, jaulte sie beinahe wehleidig.

fiktives Beispiel

Überfrachtete Inquits in jeder Zeile. Das Tückische an diesen Inquits ist, dass sie dem Gesagten die Kraft nehmen. Sie ziehen die Aufmerksamkeit des Lesers auf sich. Und sind, in all ihrer Deutlichkeit, dabei streng genommen Fälle von Infodump und/oder des berühmten „Show, don’t tell“. Denn dass Jack hier trotzig donnert, hat der Dialog schon gezeigt – „Hab ich aber!“ ist eine wunderbar kindisch-trotzige Zeile. Die wird hier nun aber einkassiert, beschnitten, für nebensächlich erklärt.

Dabei verstoßen diese Inquits auch gegen ein Grundgebot des Erzählens: Überfrachte den Leser nicht mit Eindrücken. Er kommt sonst nicht mit. Und, noch schlimmer: Es entstehen keine Bilder in seinem Kopf. Wie es anders geht, zeigt die redigierte Version des Dialogs:

„Ich kann nicht glauben, dass du das gerade gesagt hast.“ Ihr Gesicht lief rot an.
„Hab ich aber!“, brüllte Hans. Die kleinen Arme hatte er in die Hüften gestemmt.
„Du machst es nicht besser.“

fiktives Beispiel

Das ist natürlich keine Hochliteratur, aber auf einmal doch Literatur. Durch das Kürzen der Inquits kriegt der Dialog Platz zum Atmen. Verloren geht dabei nichts. Und du als Autor gewinnst Raum zur Entfaltung: die kleinen, in die Hüften gestemmten Arme – das ist ein Bild! Der trotzig donnernde Hans ist keins.

Es gibt noch eine weitere Besonderheit bei Inquits. In ihrer guten, bescheidenen Form (sagte sie, flüsterte er, wurde er gefragt) können sie trotzdem noch grundfalsch daherkommen. Nämlich dann, wenn du als Autorin allzu kreativ wirst. Also den durch die Kürzung gewonnenen Platz gleich wieder breitbeinig mit den Inquits besetzen willst: donnerte Hans, lachte sie, ließ er sie wissen.

Hier werden Verben benutzt, die die Handlung (jemand sagt etwas) allzu blümerant ausdrücken, also ebenfalls ganz viel Bedeutung mitbringen, die a) stört, siehe oben oder b) keinen Sinn ergibt. Oder hast du schon mal einen Satz gelacht? Eine Antwort genickt („Das geht“, nickte sie)? Ich fürchte nein.

Wie aber soll man das dann machen, die Sache mit den Inquits? Ganz einfach, zum Beispiel so:

Dann hörte der Motor auf zu brummen, und draußen schrie eine Stimme: „Die Toten hierhin, habt ihr Tote dabei?“
„Verflucht“, rief der Fahrer zurück, „verdunkelt ihr schon nicht mehr?“
„Da nützt kein Verdunkeln mehr, wenn die ganze Stadt wie eine Fackel brennt“, schrie die fremde Stimme. „Ob ihr Tote habt, habe ich gefragt!“
„Weiß nicht.“
„Die Toten hierhin, hörst du? Und die anderen die Treppen hinauf in den Zeichensaal, verstehst du?“
„Ja, ja.“
Aber ich war noch nicht tot, ich gehörte zu den anderen, und sie trugen mich die Treppe hinauf.

Heinrich Böll – „Wanderer, kommst du nach Spa …“

Rief, schrie, und oftmals auch einfach gar kein Inquit. So einfach kann es sein. Und doch so gehaltvoll. Der Trick ist: Vertraue deinen Worten und vertraue deinen Lesern. Wenn es gut geschrieben ist, wird es verstanden werden. Wenn es nicht gut geschrieben ist, werden aufgeschwemmte Inquits es nicht retten.

5. Nutze Beschreibungen

Dialoge können ein Feuerwerk sein. Knall, Boom, Peng! Dann braucht es kaum mehr als die Dialogzeilen selbst. Doch dafür bedarf es bestimmter Voraussetzungen. Vor allem muss hinreichend klar sein, wer spricht. Und wer bedeutet in dem Fall nicht nur, welche Figur, sondern auch, wer diese Figur ist. Ist das noch nicht etabliert, sind Beschreibungen zwischen den Dialogzeilen eine hervorragende Möglichkeit, die Figur zu charakterisieren:

„Und ihre Mutter, was tat ihre Mutter in solchen Situationen?“
Da war eine Macke im Linoleum-Boden, eine dicke, schwarze Macke, Jürgen konnte sie von seinem Platz aus deutlich sehen.
„Sie weinte.“
„Machte es das schlimmer?“
„Lauter. Es war ein lautes Weinen.“ Am liebsten hätte er eine Walnuss darin verrieben, farblich hätte das gepasst und sich mit der Zeit festgetreten. Vielleicht sollte er nächstes Mal eine mitbringen.
„Gibt es etwas, das Sie sich in diesen Momenten von ihr gewünscht hätten?“ Jürgen sah auf.
„Ja, ich … das Küchenmesser.“

fiktives Beispiel

Das könnte der Anfang eines Romans sein. Natürlich trägt hier der Dialog, vor allem die Fragen des Gegenübers, die inhaltliche Hauptlast. Aber die Beschreibungen charakterisieren Jürgen, etwas, das die Dialogzeilen selbst nicht leisten können. Und so beginnt der Leser sich für Jürgen zu interessieren. Nicht allein deshalb, weil er offenbar eine schlimme Kindheit hatte. Schlimme Kindheiten gibt es viele. Aber diese eine hier, Jürgens schlimme Kindheit, die Kindheit des Mannes, der sich Gedanken über eine Macke im Linoleum macht, während er darüber ausgefragt wird – die ist interessant.

Was für Figuren gilt, gilt natürlich auch für die Welt deiner Geschichte. Auch sie kann in eingeschobenen Beschreibungen beiläufig während deines Dialogs charakterisiert werden.

Hast du einen Text geschrieben, der von einem Lektorat profitieren könnte? Informiere dich über alles, was du über das Lektorat literarischer Texte wissen musst. Oder schicke deinen Text an kontakt@lektorat-bauer.de und erhalte ein kostenloses Probelektorat samt unverbindlichem Angebot.
Deine Daten werden vertraulich behandelt.