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Ein sehr guter Text Prosa

Beginne mit einer Verletzung

Jede Geschichte wird von der Reise eines Helden getrieben. Dafür braucht es eine spezielle Zutat: eine Verletzung.

Jede große und kleine Geschichte ist im Kern auf eine Verletzung des Helden zurückzuführen.

Der Drachentöter Siegfried! Die Ferse Achilles!

Große Helden haben eine Schwäche, einen Mangel. Dieser Mangel ist die Folge einer Verletzung: Achilles ist das Kind einer Göttin und eines Sterblichen. Deshalb taucht ihn seine Mutter in den Styx, ihn von der Sterblichkeit zu befreien. Hält ihn dabei an der Ferse fest.

Aber in der Verletzung liegt meist auch eine Chance: zu wachsen, zu reifen, oder ihren Effekt gar als Waffe einzusetzen (Siegfried ist quasi unverwundbar).

Eine gelungene Story wird daher eine solche Verletzung beinhalten und daraus den Charakter ihres Helden bestimmen: Nemos Vater hat seine Frau und all seine Kinder verloren, 999. Das ist seine Verletzung. Deshalb ist er ein Helikopter-Vater (das ist der Effekt). Deshalb wagt sich Nemo zu weit raus und wird entführt (da beginnt der Plot).

Wäre er einfach nur ein Helikopter-Vater – wen würde das interessieren? Aber die Verletzung erklärt sein Verhalten und macht die Sache für uns Zuschauer relevant.

Ein Beispiel:

Luke Skywalker träumt von großen Abenteuern, davon Pilot zu werden, aber muss mit seinen Zieheltern leben und auf deren Farm nach dem Rechten sehen (denkt er). Was fehlt ihm? Glaube an sich selbst! An Möglichkeiten, die es gibt, die es für ihn gibt.
Wir wissen nicht genau, was der Grund für diesen Mangel ist. Das ist nicht immer wichtig, oft genügen Andeutungen, aber irgendetwas hat ihm diese Überzeugung genommen.

Er trifft schließlich Obi-Wan, seine Zieheltern werden ermordet und das Abenteuer ruft nach ihm. So brutal das klingt: Seine Zieheltern mussten sterben, denn andernfalls wäre er dem Ruf des Abenteuers nie gefolgt. Zu störrisch, zu verbohrt, zu ungläubig ist er.
Dann erfährt er von seinem Vater, lernt erste Dinge bezüglich der Macht, bleibt aber recht distanziert dazu.
Und was passiert, als er im großen Finale den Todesstern zerstört? Er verzichtet auf den Computer, mit dem alle Piloten vor ihm gescheitert sind, und vertraut auf die Macht. Boom!

Die Macht des Star-Wars-Universums ist am Ende Lukes eigener, im Vergleich winziger Charakterbogen ins Große projiziert: Luke fehlt der Glaube an sich und die Welt. Allerdings gibt es etwas in ihm, mit dem er alle seine Träume von Abenteuern und Bedeutung erfüllen kann. Der Haken: Um es einzusetzen, muss er, naja, daran glauben und von sich überzeugt sein.

Was ist die dunkle Seite der Macht? Nicht daran glauben, nicht an sich, an das Gute, und daher den einfachen, schnellen Weg wählen. Letztlich lässt sich also die gesamte Story von Krieg der Sterne auf die Verletzung, und den daraus resultierenden Mangel des Helden Luke Skywalker zurückführen – das ist grandios geplottet.

Wenn eine Geschichte nicht recht funktioniert, frage dich daher, ob folgendes darin enthalten ist: Ein Held, der eine Verletzung hat, die ihn von seinem Ziel abhält, weil er sich aufgrund dieser Verletzung so und so verhält, der diese Verletzung aber heilen kann im Laufe des Abenteuers, und dann, deshalb!, auch sein Ziel erreicht.

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